Lebensgefüge und Lebensgefühle in der Stadt

Eine Ausstellung von Bildern der Kunstkurse 11 im Arsenal, Wittenberg


Keine Qual der Wahl

Die Themen der Kurshalbjahre im Fach Kunst sind vielgestaltig. Unter sechs Themen können vier gewählt werden. Malerei, Grafik und Buchgestaltung, Architektur, Moderne Medien, Design und Plastisches Gestalten kommen infrage. Was lag aber näher, als am Anfang des Jahres auf die provozierende „Bausündendebatte“ einzugehen, die vom bekannten Wittenberger Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer in der Presse initiiert wurde. Es ging um neues Bauen in alten Städten, speziell um Modernität in der historischen Innenstadt von Wittenberg. „Anpassen, Auflehnen, Anbiedern?“ Das war die allgemeine Fragestellung hinsichtlich der Lückenschließungen in gewachsenen Städten.


Fachleute vor Ort

Die Architektenkammer Sachsen-Anhalt bot die Möglichkeit, sehr zeitnah eine Veranstaltung in der Aula unserer Schule für die Elftklässler der Kunstkurse von Heike Masser und Ulrike Kirchner zu konzipieren. Als Termin wurde der 5. April festgelegt. Selbst der Oberbürgermeister der Stadt Wittenberg meldete Interesse an dieser Veranstaltung an und verlegte kurzerhand seine üblicherweise freitags stattfindende Pressekonferenz in unsere Schule. Ansprechpartner für die Journalisten und Schüler waren neben Herrn Naumann, der Fachbereichsleiter/ Stadtentwicklung Herr Kirchner, Herr Sandau, die beiden Kunstlehrerinnen und die Geschäftsführerin der Architektenkammer S./A., Frau Heise. Diese hatte drei Persönlichkeiten für Vorträge gewinnen können. Es handelte sich um die Architekturjournalistin Frau Heller, um den Vorsitzenden der Stiftung Luthergedenkstätten Herrn Dr. Rhein, sowie um den Dessauer Architekten Herrn Bankert. Alle drei trugen ihre Gedanken zum Thema kurzweilig und unterstützt von informativen Power Point Präsentationen vor. Ein interessanter Bogen über die Beispielanalyse alter und neuer Architektur in unserem Land, die schwerwiegenden Probleme eines Bauherren (Luther - und Melanchthonhaus in Wittenberg) bis hin zur Rolle des Architekten konnte somit gespannt werden. Allen war sehr daran gelegen mit jungen Leuten zum Thema der Stadterneuerung in Verbindung zu treten.



Spannende und gewitzte Umsetzung von Ideen

Wissen erwerben, sehen lernen, die Umwelt bewusster wahrnehmen und zu Erkenntnissen gelangen - das waren die erklärten Ziele des Kunstunterrichtes. Nachdem die Klausur geschrieben war, wurden in den Kursen Ideen entwickelt, Teile gefügt, geklebt, Bauwerke entworfen, gemalt und Gedanken gezeichnet. In welcher Umgebung wollen wir leben, welche Erwartungen haben wir an die Zukunft, wie sehe ich die Diskussionen in Wittenberg… das waren Fragestellungen in den Kunstkursen, die es bildlich zu bearbeiten galt. Es ergaben sich ganz individuelle Herangehensweisen. Vielschichtig beschäftigten sich einzelne Schüler mit Kontrasten, Harmonie und Provokation. Das Leben am Fluss, die Betonung der Modernität in einer grünen Stadt, das Miteinander, bzw. die Trennung der Baustile voneinander wurden in den Mittelpunkt gestellt oder Hinweise auf soziale Brennpunkte und das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen gegeben. Aber auch der Zeitgeist der Stadt, die bestimmenden Persönlichkeiten, die eine Stadtatmosphäre ausmachen oder der gewitzte und ironische Kommentar per Zeichenstift zur kleinstädtischen Diskussion in Wittenberg ergaben spannende Themen.


Diskussion im Arsenal

Bei der rasanten Entwicklung der Stadt bis zum Jubiläumsjahr 2017 und den damit verbundenen Neu – und Umbauprojekten ist der Dialog mit der Öffentlichkeit immens wichtig. So kam der nächste Termin zwischen Stadtverwaltung und Architektenkammer zustande. Am 19. 6. (bis 29. 6.) wurde im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Stadtgespräch Baukultur“ eine vierteilige Ausstellung in der unteren Etage des Einkaufszentrums Arsenal eröffnet. Eine Ausstellungsfläche von 9m x 2,50m war den Arbeitsergebnissen aus dem Unterricht vorbehalten. Neben den anderen Tafeln zu den Themen „Architekturen aus Sachsen-Anhalt – 100 Bauten aus 1000 Jahren“, „Architekturpreisanwärter 2013“ und „Aktuelle Bauvorhaben in Wittenberg“ war der Schulbeitrag mehr als nur schmückendes Beiwerk. Das zeigte sich besonders bei der Eröffnungsveranstaltung, zu der alle Elftklässler der zwei Kunstkurse und Bürger der Stadt gekommen waren. Frau Heller, Herr Bankert und der Präsident der Architektenkammer S./A. Herr Prof. Niebergall hielten Vorträge zum Einstieg in die Diskussion. Es folgten Redebeiträge der Schüler. Anna Jehle, Ruben Kröber, Magdalena Beuchel und Justine Wernicke überzeugten durch ihre Ausdrucksstärke, Redegewandtheit und ihr Selbstbewusstsein. Ein junges Statement in Wort und Bild in dieser Form und Öffentlichkeit hatte es zum Thema des Umbaus in Wittenberg so noch nicht gegeben. Junge Leute zurück zu gewinnen in eine Stadt mit jungen Ansprüchen, verbunden mit der Erhaltung des Alten – das müsste das Ziel aller Stadtplaner in Wittenberg sein. Das Luther-Melanchthon-Gymnasium hat sich in eine wichtige, dem Leben sehr nahe Problematik eingebracht und den Schulunterricht mit der aktuellen Stadtpolitik verbunden. Das ist eine Sache, die allen Beteiligten neue Impulse verschaffen kann und bei den Betrachtungen über modernes Bauen zu neuen Erkenntnissen verhilft. Dann wäre das Ziel erreicht.

Ulrike Kirchner