Geschichte

Willkommen auf der Seite der Fachschaft Geschichte.

Im Folgenden möchten wir einen kleinen Eindruck davon vermitteln, was bei uns am Luther-Melachthon-Gymnasium im Fach Geschichte regelmäßig im Unterricht und in Projekten thematisiert wird.

Geschichte umfasst das Geschehen in Zeit und Raum. Wir erforschen in dem Zusammenhang verschiedene Abschnitte und Entwicklungen des Menschen, von Gesellschaften und das im Wandel der Zeit. Dabei gestalten wir Projekte und gehen auf Exkursionen, um an außerschulischen Lernorten Geschichte zu rekonstruieren und die Spuren der Vergangenheit zu entdecken. Oftmals führen diese Spuren sogar in die Gegenwart und helfen uns dabei, das Hier und Jetzt besser zu verstehen.

In Klassenstufe 5 besteht z.B. die Möglichkeit an einem Steinzeit-Workshop teilzunehmen. Dabei wird interaktiv erlebt, wie unsere Vorfahren gelebt und unter schwierigen Bedingungen überlebt haben.

In Klasse 6 wird eine mittalerliche Stadtführung erarbeitet und stellt dabei Wittenbergs Geschichte in den Mittelpunkt. Daran knüpft in Klasse 7 der Besuch der Luther-Gedenkstätten an, wenn es um die besondere Bedeutung Wittenbergs im Zeitalter der Renaissance und der Reformationsgeschichte geht. Damit folgen wir den Spuren der Namensgeber unserer Schule.

In Klasse 7 geht es auf Exkursion in das Dessau-Wörlitzer-Gartenreich. Dabei erleben wir die Verbindung von Natur und Geist, wenn wir den Wörlitzer Park und das Schloss Wörlitz erkunden.

In Klasse 9 und 10 geht es im Rahmen von Projekten und öffentlichen Veranstaltungen auch um ernstere Themen und einige Schattenseiten der deutschen Geschichte. So findet regelmäßig ein Projekt zu den Wittenberger Stolpersteinen statt, die an das Schicksal jüdischer Mitbürger während der Zeit des Nationalsozialismus erinnern. Ebenso ist der Besuch einer KZ-Gedenkstätte ein Bestandteil des Geschichtsunterrichts.

Am Ende von Klasse 11 besteht die Möglichkeit an einer Studienfahrt mit einem geschichtlichen Schwerpunkt teilzunehmen. Regelmäßig geht es dabei nach Prag, um Stationen des jüdischen Lebens zu entdecken, oder zu anderen Orten mit historischer Bedeutung im In- und Ausland.

In Klasse 12 findet eine Exkursion statt, bei der Orte im Mittelpunkt stehen, die sich mit Diktatur, Gewalt und der deutsch-deutschen Geschichte befassen. Ein Besuch des Denkmals für die ermordeten Juden Europas, eine Besichtigung der Gedenkstätte Hohenschönhausen ("Stasi-Knast") oder der ehemaligen Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (Stasi-Museum")  in Berlin widmet sich dabei ganz besonders der kritischen Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit.

Geschichte ist deshalb mehr als das Auswendiglernen von Fakten und Zahlen. Für uns am Luther-Melanchthon-Gymnasium geht es im Fach Geschichte auch darum Mut zu haben, seinen eigenen Verstand zu gebrauchen, um Philipp Melanchthons Leitspruch aufzugreifen.

 

Rede zum Pogromgedenken am 09.11.2023

Begrüßung und Vorstellung:

Auch wir möchten Sie, die hier Anwesenden, nochmals recht herzlich zu dem heutigen Gedenken an die Pogromnacht 1938 in Lutherstadt Wittenberg begrüßen. Um uns kurz vorzustellen: wir sind Lena Köppe, Jacob Pfeifer und Johannes Bader. Wir sind Schüler der 12.Klasse des Luther-Melanchthon-Gymnasiums hier in Wittenberg und werden Ihnen im folgenden Gedenkrundgang so zu bezeichnende Schauplätze des Unrechts vorstellen und dabei auf die damit in Verbindung stehenden Schicksale ehemaliger jüdischer Mitbürger näher eingehen. Damit würden wir gerne jenen Gedenkrundgang starten.

Rede an der Stele:

Zum Gedenken an das Schicksal von Richard Wiener und seiner Familie möchte ich meinen folgenden Ausführungen mit einem Zitat beginnen: „Genau an diesem Ort – bezogen auf Wittenberg - erlebten meine Familie und ich zum ersten Mal die Verfolgung durch die Nazis, soziale Isolierung, die Zerstörung unseres Zuhauses und das Auseinanderbrechen unserer familiären Struktur“ – Dieses Zitat von Richard Wiener repräsentiert das Schicksal von Millionen von Menschen während der Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945, so auch von zahlreichen jüdischen Familien, die in Wittenberg lebten. Diese Einzelschicksale, die heute von mir und meinen Mitschülern vorgestellt werden, stehen stellvertretend für die Leidensgeschichte unzähliger als jüdisch verfolgter Deutscher, die mit Ausgrenzung und Entrechtung begann, aber nicht endete.

Wir sind hier an der ersten Haltestelle angekommen, an welcher ich Ihnen das Schicksal der Familie Wiener näherbringen möchte. Diese Stele ist der Familie bzw. ganz konkret Richard Wiener gewidmet. Zusätzlich findet man in Wittenberg Stolpersteine, die den Familienmitgliedern Martin und Berta Wiener, auf welche ich noch zu sprechen kommen werde, gewidmet sind. Ich werde im Folgenden hauptsächlich auf Richard Wiener eingehen, möchte allerdings, um den Zusammenhang deutlich zu machen, Bezug auf weitere Familienangehörige nehmen. Johannes Bader ges1-Albrecht Rede zum Pogromgedenken am 09.11.2023 2 Zuerst gehe ich auf den Großvater von Richard, Baruch Wiener ein, welcher mit seiner Familie nach dem Ende des Ersten Weltkrieges nach Wittenberg kam und hier eine Schuhfabrik eröffnete. Dessen Söhne waren Richards Vater Robert und seine beiden Onkel Max und Georg Wiener. Im Jahr 1927 wurde Richard nun als Sohn von Robert Wiener und seiner Frau Mariem in Wittenberg geboren. In den Folgejahren wurde die Schuhfabrik von Richards Vater Robert und seinem Onkel Max übernommen und weitergeführt. Die Familie hatte in Wittenberg Fuß gefasst und bis zu seinem fünften Lebensjahr hatte Richard eine unbeschwerte Kindheit. 1933, als er in die Schule kam, kamen allerdings auch die Nationalsozialisten an die Macht. Damit änderte sich das weitere Schicksal der gesamten Familie. Denn je näher die Nationalsozialisten der Macht kamen und je länger sie diese dann inne hatten, umso schwieriger wurde das Leben der Familie und umso weniger Freiheit und Rechte hatte sie. Zwar ist bekannt, dass es bereits vor 1933 immer wieder zu antisemitistischen Stimmungen in der Gesellschaft kam und Ausgrenzung durchaus eine Rolle spielte. Aber ab der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden jene Verhältnisse extrem, denn in ihrer Ideologie war der Antisemitismus zentral verankert.

Johannes Bader ges1 -  HerrAlbrecht

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Auf den Spuren vergangener Zeiten

22.11.22       7:30. Wir machen uns auf den Weg zum uns bereits bekannten Lutherhaus, das wir schon zur Eichenpflanzung in der 5. Klasse und einer anderen Geschichtsexkursion in der 6. Klasse besucht haben. Dort angekommen werden wir in einen großen Raum geführt.

Auf den Tischen liegen Platten und seltsame Werkzeuge. Eine Mitarbeiterin erklärt, worum es sich hier handelt. Es ist Linol, in das wir gleich unsere Kunstwerke verewigen dürfen.

Vorher gibt es aber noch etwas zu beachten. Niemals die Hand vor das Werkzeug legen, mit dem man das Material an den gewünschten Stellen entfernt, sonst kann es mehr oder weniger böse Schnittverletzungen geben, wie einige noch feststellen werden. Das Motiv, das wir drucken wollen, dürfen wir frei wählen, jedoch sollten wir es vorher mit Bleistift auf die Platte malen.

Sind wir fertig, wird auf das kleine Kunstwerk Druckerfarbe aufgetragen, und es dann mit Hilfe einer Druckerpresse auf ein Blattpapier gedrückt. Das bedruckte Papier und die Druckerplatte dürfen wir mit nach Hause nehmen. Mit der Druckerplatte kann man beliebig viele Nachdrucke herstellen.

Nach dem Drucken schauen wir uns nun das Lutherhaus genauer an.

Zuerst werden wir ins sogenannte Refektorium geführt. Ein alter Speiseraum, in dem jetzt ein Altarbild von Lucas Cranach dem Älteren steht. Nach genauerer Betrachtung stellen wir fest, dass es sich auf den dargestellten Szenen um die zehn Gebote handelt. Nach einigen Fragen und Geschichten geht es weiter nach oben. Dort kommen wir durch einen Raum mit vielen Portraits in dem wir uns allerding nicht lange aufhalten können, da uns eine andere Reisegruppe auf den Fersen ist. Unser nächster Halt ist ein ausgestelltes Flugblatt aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu dem wir anschließend Fragen beantworten sollen, also genau zuhören. Darauf geht es um die Ehrmahnung für die Jugend. Es werden schlechte Beispiele von Menschen aufgeführt, die nicht sorgsam mit ihrem Geld umgingen, und so auf der Straße landeten. Unter den Bildern ist auch Text zu sehen, doch wirklich lesen können wir ihn nicht, da die Schrift schon sehr alt ist. Nachdem wir auch hier fertig sind, gehen wir als nächstes in die Lutherstube. Hier saß Luther schon mit seinen Studenten und Freunden. Frauen waren damals nicht oft hier. Außer Katharina, seine Frau, waren diese hier eher nicht gern gesehen. Aber es gibt nicht nur Hinweise auf längst vergangene Zeiten, denn an den Wänden entdecken wir auch Kritzeleien, die erst nach Luthers Zeit entstanden sind. Auch der Kamin stammt aus einem späteren Jahrhundert. Von der Lutherstube aus geht es nach ein paar anderen interessanten Fakten zurück in den Raum, von dem wir aufgebrochen sind.

Hier wartet noch eine weitere Überraschung auf uns. Ein großes, kunstvoll geschmücktes Buch liegt auf dem Tisch. Wir brauchen nicht lange, um zu erraten, welches Buch es ist. Es ist die Bibel. Diese Bibel ist noch mit der Hand geschrieben, also ein echtes Unikat. Dies zeugt davon, dass diese Bibel wohl noch von vor 1450 ist, denn um dieses Jahr wurde der Buchdruck mit beweglichen Lettern von Johannes Gutenberg erfunden. Eine echte Revolution, denn jetzt konnten innerhalb von kürzester Zeit ganze Bücher tausendfach gedruckt und unter die Leute gebracht werden. Die Bücher wurden billiger und auch für normale Leute erschwinglich.

Leider müssen wir danach wieder zurück in die Schule, doch wir haben viel Wissen über Luthers Zeiten erlangt, Neues gesehen und erlebt. Ich fand es eine schöne Abwechslung zum Schulalltag und ich freue mich schon auf den nächsten Ausflug.

Stella Schimming, 7b

Buchenwald

Entsetzung, Trauer und Stille – Diese 3 Wörter beschreiben das Konzentrationslager Buchenwald meiner Meinung nach sehr treffend. Nach 2 Jahren „Coronapause“ fand dieses Jahr wieder die Geschichtsexkursion der 10. Klassen in das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald statt. Am 15. November 2022 fuhren wir um 7.30 Uhr an der Bushaltestelle der Schillerstraße los. Nach einer heiteren und amüsanten Busfahrt erreichten wir nach 3 Stunden Fahrt unser Ziel, aber als wir an der Gedenkstätte ankamen, war die Stimmung auf einmal ganz anders. Alle waren erstaunlich leise und machten einen bedrückten Eindruck. Ich glaube so, habe ich meine Mitschüler noch nie erlebt. Als Einstieg schauten wir uns im Kinosaal der Gedenkstätte einen sehr bewegenden Film an. Dieser zeigte Videoausschnitte des Konzentrationslager aus der Zeit des Nationalsozialismus, der durch ein Interview eines ehemaligen Gefangenen begleitet wurde. Nach diesem Film fanden wir uns in unseren einzelnen Klassen zusammen. Die Geschichtslehrer der Klassenstufe 10 organisierten unterschiedliche Führungen über das Gelände. Die Führung der Klasse 10e wurde durch selbstgewählte Schülervorträge aufgebaut. Wir erkundeten als erstes das Außengelände der Anlage, dort besichtigten wir unter anderem den ehemaligen Haltestopp der Weimar- Buchenwaldbahn, den Weg der Blutstraße, wie auch den ehemaligen Zoo, der in der Zeit des Nationalsozialismus zur Vortäuschung der Normalität diente. Dann erreichten wir das weltberühmte Eingangstor des Konzentrationslagers mit der Eingravierung ,,Jedem das Seine“.  Als wir durch das Tor liefen, kamen die Erinnerungen wieder hoch, das ist das bekannte Tor aus den Dokumentationen und Geschichtsbüchern, durch dieses Tor gingen über 56.000 Menschen hinein, aber verließen es nie wieder. Die Führung durch das Innengelände führte uns zum Krematorium und zum „Pferdestall“ in der sich eine Genickschussanlage befand. Diese beiden Stationen waren für mich am bewegendsten, da dort eine eigenartige Atmosphäre herrschte. Uns war allen bewusst, das unzähligen Menschen im Konzentrationslager extremes Leid zugefügt wurde, aber als man am Ort selber stand, fühlte sich alles so surreal an. Auch das viele Menschen auf Grund ihrer Sexualität oder ihrem Glauben sich medizinischen Versuchen bzw. Experimenten unterziehen mussten, verschlug uns allen die Sprache. Am Ende des Tages konnten wir alle etwas aus der Exkursion mitnehmen, sei es die Festigung der Thematik oder das Lernen aus den Fehlern der Vergangenheit.

Von Zoe Charlotte Köhler

Vortrag Geschichte Klasse 12

„Hier wohnte Elisabeth Schwarz; geb. Backhaus; Jahrgang 1878; deportiert 1942; Sobibor; ermordet 3.6.1942". Dies ist die Inschrift eines sogenannten Stolpersteines in der Schloßstraße 9 in Wittenberg, welcher Teil eines Projekts des Künstlers Gunter Demnig ist. Mit den kleinen Denkmälern soll unter anderem an die Juden erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus zu Opfern von Verfolgung, Hass und Gewalt wurden. Seitdem das Projekt 1996 begann, sind bis heute bereits mehr als 90.000 Stolpersteine in über 20 Ländern verlegt worden (vgl. Süddeutsche Zeitung, 2022).

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg befindet sich Deutschland in einer Wirtschaftskrise, die Unzufriedenheit der Bevölkerung steigt, und Krisenphänomene wie Arbeitslosigkeit begünstigen den Aufstieg der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), welche einen Weg aus der wirtschaftlichen und politischen Lage sowie Deutschlands erneute Großmachtstellung verspricht. Dabei nutzt die Partei Rassismus und Antisemitismus, um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Wähler zu stärken, was sie mit den zeitgemäßen modernen Massenmedien propagiert. In einigen Jahren gelingt der NSDAP der Aufstieg zur Massenpartei, und nach der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1933 herrscht Antisemitismus allgegenwärtig in der Gesellschaft. Juden werden bedroht, gesellschaftlich ausgegrenzt und erleben staatlich organisierte Diskriminierung, doch welches Ausmaß an Terror erreichen die Nationalsozialisten?

In diesem Vortrag werde ich die Verfolgung der Juden in Deutschland am Beispiel der Familie Schwarz, die hier in der Schloßstraße 9 in einem „Judenhaus" wohnten, etwas näher erläutern, um schließlich meine Leitfrage zu beantworten. Zuletzt werde ich auf die Kontroverse der Stolpersteine als Erinnerungskultur eingehen.

 

Elisabeth Schwarz wird am 23. Dezember 1878 in Wittenberg geboren und heiratet Simon Schwarz im Oktober 1905 (vgl. Pester, 2016, S. 19-20). Dieser wurde am 12. September 1878 geboren und stammt aus Colmar, einer Stadt, deren Bevölkerung zu dieser Zeit noch zu einem Drittel aus Juden besteht (vgl. S. 21-22). Dies ändert sich jedoch stark mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten ab 1933, als Hetze und Terror zum Alltag von Juden in Deutschland werden. Durch Boykotte, wirtschaftliche Isolierung und fehlenden Rechtsschutz wird versucht, jüdische Bürger aus dem Alltagsleben zu verdrängen. Dennoch bleiben viele Juden trotz dieser Verfolgung in Deutschland (vgl. Scriba, 2015). Im Jahr 1935 verschärft sich die systematische Ausgrenzung mit der Einführung der Nürnberger Gesetze. Zum Beispiel wird die Ehe und der außereheliche Geschlechtsverkehr zwischen Juden und Nicht-Juden mit der Begründung der Reinhaltung der deutschen Rasse durch das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" verboten (vgl. Asmuss, 2015). Das „Reichsbürgergesetz" und weitere Regelungen degradieren die jüdische Bevölkerung zu „Menschen minderen Rechts" (zit. nach ebd.) und machen das Leben der Juden in Deutschland unerträglich, um sie zur Ausreise zu zwingen. Nachdem die Familie eines jungen Juden namens Herschel Grynszpan nach Polen deportiert wird, übt dieser am 7. November 1938 einen Mordanschlag auf den deutschen Botschafter Ernst vom Rath in Paris aus (vgl. Schuhmacher, 2022). Die Nationalsozialisten nutzen dies als willkommenen Vorwand für einen „Sühneakt" gegen die jüdischen Bürger: am 9. November 1938 werden in der „Reichspogromnacht" tausende Juden getötet und verhaftet. Hunderte jüdische Synagogen, Geschäfte und Wohnungen werden zerstört. Aufgrund der zerbrochenen Fensterscheiben wird dies später auch „Kristallnacht" genannt (vgl. Scriba). Auch Simon Schwarz wird in den darauf folgenden Tagen Opfer der antisemitischen Gewalt; er wird am 12. November 1938 verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Einige Wochen später wird er jedoch wieder entlassen mit dem Befehl, das Land schnellstmöglich zu verlassen (vgl. Pester, S. 22). In dieser Zeit verschärfen sich die Eingriffe des NS-Staates in das Alltagsleben der jüdischen Bevölkerung extrem. Als Teil der „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben" müssen die jüdischen Gemeinden nun eine „Sühneleistung" von 1 Milliarde Reichsmark, sowie die Beseitigung der Schäden, die bei der Pogromnacht entstanden sind, finanzieren. Zu der weiteren „Arisierung" der Wirtschaft zählt die Enteignung jeglichen jüdischen Vermögens, wie z.B. Grundeigentum und Wertgegenstände (vgl. Scriba). So kommt es, dass die jüdischen Einwohner der Stadt Wittenberg, die in Wohnungen von „arischen" Vermietern leben, vertrieben und mit Zwang in sogenannte „Judenhäuser" eingewiesen werden. Dazu gehört auch das Haus in der Schloßstraße 9, in dem Elisabeth und Simon Schwarz leben. Im Frühjahr 1939 wird der Wert des Hauses festgesetzt, und ein Pfändungsbescheid von über 12.000 Reichsmark bringt das Ehepaar an die Armutsgrenze. Daraufhin bewerben sie sich beim Armen- und Siechenhaus der Synagogengemeinde Halle um Unterkunft und leben dort ab November 1939. Am 25. Juli 1941 werden sie zwanghaft zurück nach Wittenberg gebracht, in ein Haus in der Dessauer Straße. Dort leben sie in einem kleinen Zimmer, bis sie zusammen mit anderen Judenfamilien, die mit ihnen im Armenhaus in Halle lebten, am 30. Mai 1942 „nach Osten" deportiert werden (vgl. Pester S. 22-23). Insgesamt 663 Personen werden per Koppelzug von Halle ins Vernichtungslager Sobibor in Lublin, im heutigen Polen, transportiert (vgl. S. 15). Vermutlich werden Simon und Elisabeth Schwarz noch am Tag ihrer Ankunft, dem 3. Juni 1942, im Vernichtungslager umgebracht (vgl. S. 23). Dabei ähnelt das Schicksal des Ehepaars dem von tausenden von Juden, die nach der Eroberung von Polen und anderer europäischer Länder in Vernichtungslager und Ghettos gebracht und dort ermordet werden (vgl. Toyka-Seid, Schneider, 2022). Es beginnt ein systematischer Völkermord, welcher bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges durchgeführt wird. 

 

Insgesamt verlieren über 6 Millionen jüdische Menschen in der Zeit des NS-Regimes ihr Leben (vgl. ebd.). Dabei stellt der Holocaust im Zweiten Weltkrieg den Höhepunkt des Nazi-Terrors dar. Von 1933 bis 1945 verschärfen sich die Auswirkungen der antisemitischen Verfolgung und nationalsozialistischen Propaganda und machen das Leben der jüdischen Bevölkerung in Deutschland unerträglich. Durch politisch motivierte Gesetzgebungen und systematische Ausgrenzung werden Jüdinnen und Juden bedroht, diskriminiert und entrechtet, bis die Radikalisierung des Rassenwahns der Nazis zu einem der größten Völkermorde der Geschichte führt. Das Ausmaß des nationalsozialistischen Terrors ist gigantisch. Noch heute erinnert der  Gedenktag am 27. Januar - dem Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz - an die Opfer des Nationalsozialismus. 

 

Teil der Erinnerungskultur ist auch das Projekt von Gunter Demnig, welches internationalen Erfolg in Europa erreicht hat. Die Stolpersteine werden jedoch kontrovers diskutiert. Gegner der Initiative kritisieren vor allem, dass die Stolpersteine in der Straße verlegt werden, denn dadurch laufen Fußgänger einfach über sie hinweg und träten somit auf die Erinnerung an die Opfer. Sie würden dadurch verschmutzt und leicht ignoriert. Die Stadt München lehnt diese Form von Erinnerung deswegen nach langer Diskussion ab und will alternativ mit Stelen und Gedenktafeln auf Augenhöhe an die Opfer gedenken (vgl. Wetzel, 2018). Demnig argumentiert dagegen, dass die Stolpersteine in den Boden gesetzt werden, damit man sich zum Lesen der Inschrift bückt und sich somit vor den Opfern verneigt (vgl. Nikolov, 2022). 

Die Verlegung der Stolpersteine in zahlreichen europäischen Ländern erreicht einen dezentralisierten Fokus des Projekts und zeigt, dass Juden und andere Minderheiten nicht nur in Deutschland verfolgt wurden. Somit wird auf einer viel breiteren Ebene auf die Erinnerungskultur aufmerksam gemacht. Auch der Historiker Harald Schmid von der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten lobt die weitverbreitete Wirkung des künstlerischen Projekts; dadurch seien sehr viele Menschen beeinflusst und sogar aktiv zum Teil der Initiative geworden. Er kritisiert jedoch, dass Steine als Gedenkmäler nicht mehr innovativ seien, da sie in der Erinnerungskultur bereits sehr verbreitet seien (vgl. ebd.). Weitere Kritik an den Stolpersteinen betont, dass diese Art der Erinnerung nicht allen Angehörigen der Opfer gefalle und somit verletzend sein könnte (vgl. Dauchez, 2018). Zudem scheint es viele Menschen zu stören, dass Demnig die alleinigen Rechte für die Stolpersteine besitzt und somit durch die Erinnerungskultur Geld verdient (vgl. ebd.). 

Mir persönlich gefällt die Doppeldeutung, dass man über den Stein gedanklich „stolpert" und innehält, um an die Opfer zu denken. Im Unterschied zu einer Gedenktafel an einer Wand, die eher übersehen wird, bringen einen die kleinen Messingtafeln in der Straße kurz zum Nachdenken. Zudem ist jeder Stolperstein ein Denkmal an eine einzelne, individuelle Person, und nicht wie ein großes Mahnmal (wie z.B. eine Statue), das an viele Opfer erinnert, so dass die einzelnen persönlichen Schicksale in den Hintergrund treten können. Vor einem Stolperstein dagegen kann man sich ganz auf einen Menschen konzentrieren, der zum Opfer des Naziterrors wurde, und sich kurz über sein Schicksal Gedanken machen. Die Kritik daran, dass Demnig mit den Stolpersteinen Geld verdient, finde ich nicht angebracht, denn jeder Mensch muss sein eigenes Geld verdienen, und die Annahme, dass Künstler ihren Beruf nur freizeitlich betreiben würden und finanziell abgesichert seien, ist in den meisten Fällen schlicht falsch. 

Abschließend finde ich, dass die Stolpersteine eine gute Form für die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus sind.

Emanuel Fischer Klasse 12c